Ich hatte mich schon lange gewundert, was die fünfzehn kaputten Glühbirnen in der Kartonkiste unter der Spüle in meiner Küche sollen. Da meine Vermieterin Swetlana mir aber eingetrichtert hatte, nichts ohne ihre Einwilligung wegzuschmeissen, liegen sie noch heute da. Sie stören mich ja nicht wirklich und ich bin immer froh, wenn Swetlana gleich wieder geht, wenn sie einmal im Monat die Miete abholen kommt, so dass ich sie auch noch nie gefragt habe. Was mich wirklich verwunderte, war die Einsicht, dass auch andere Leute in ihrer Wohnung eine Sammlung von kaputten Glühbirnen haben. Kürzlich sass ich mit einem Schweizer zusammen und wir kamen auf absurde Dinge in der Wohnung zu sprechen, welche Vermieter hinterlassen, wenn sie zahlungskräftigen Ausländern ihre Wohnung überlassen und in die Aussenbezirke oder auf die eigene Datscha ziehen. Er erzählte, dass er in einem Schrank auch auf eine Kiste mit kaputten Glühbirnen gestossen war und sich nicht vorstellen konnte, dass Russen tatsächlich denken, die Technologie sei irgendwann so weit, dass man diese kaputten Glühbirnen reparieren könnte. Er scheint allerdings ein besseres Verhältnis zu seinem Vermieter zu haben und fragte ihn eines Tages. Der Vermieter grinste nur und erzählte, dass Glühbirnen früher zu Sowjetzeiten «Defizit» gewesen wären, also Dinge, die nur selten in Läden zu finden waren. Also behielt man die kaputten Glühbirnen, um sie bei Bedarf mit zur Arbeit zu nehmen und sie dort gegen eine funktionierende «umzutauschen». Vielleicht hatte Swetlana auch vor, den kaputten Wasserkocher, der im Schrank im Wohnzimmer hinter die Bücher geklemmt ist, umzutauschen? Angesichts der Tatsache, dass es von vielen Geräten zu Sowjetzeiten nur ein Modell gab, keine schlechte Idee! Nur ist Swetlana schon lange pensioniert und dennoch wirft sie all die kaputten Dinge nicht weg. Mich erstaunt es jedenfalls nicht mehr, dass die öffentliche Infrastruktur nur schlecht funktionierte, wenn alle ihre kaputten Dinger mit zur Arbeit nahmen und dort «umtauschten». Das Leben in Moskau ist aber bei weitem nicht immer so interpretationsbedürftig. Gestern zum Beispiel ging ich wieder einmal auf dem Markt in meinem Quartier einkaufen. Vor dem eigentlichen Markt halten Leute auf der Strasse Gemüse aus dem eigenen Garten feil. Eine Frau, an der ich jeden Tag auf dem Weg zur Post vorbei gehe, forderte mich auf, hausgemachtes Sauerkraut zu kaufen. Neben ihr stand ein Mann, den ich noch nie gesehen hatte. Ich sagte freundlich nein und war eigentlich schon vorbei, als der Mann mir nachrief: «Mädchen, komm her!» Ich blieb stehen und er kam mir entgegen. «Sauerkraut ist richtig lecker!», sagte er mir. Ich wollte aber wirklich kein Sauerkraut. Er liess nicht locker: «Sauerkraut ist gut für den Magen!», meinte er. Als ich ihm sagte, mit meinem Magen sei alles in Ordnung, zog er mich ein paar Schritte weiter von den Frauen weg, flüsterte mir sein letztes und völlig einleuchtendes Argument zu: «Sauerkraut gibt einen grossen Busen!»